Kulturmanager, Literat & Satiriker


XXIV. Dialog mit Luca

„Muss ich mich vor dem Tod fürchten, Hubertus – mein Papi?“

„In Griechenland lebte vor langer Zeit, von 342 bis 270 vor Christus, der Philosoph Epikur von Samos, der neben vielen klugen Worten auch diese uns Nachgeborenen hinterließ, mein Luca-Schatz: Das schauerlichste Übel, der Tod, geht uns nichts an; denn solange wir existieren, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, existieren wir nicht mehr. Denn im Leben gibt es für den nichts schreckliches, der in echter Weise begriffen hat, dass es im Nichtleben nichts Schreckliches gibt – mein Luca, mein Liebling.“ Wenn man diese Worte verinnerlicht, muss man sich vor dem Tode nicht mehr fürchten, ob Herrchen oder Hund, du, mein Luca oder ich Hubertus, der ich täglich mit dir auf dem Otto Schokoll-Höhenweg an der Elbe spazieren gehen, und wir Ebbe und Flut, die Macht der Natur erleben und ihre unbegreiflichen Gesetze durch die Zeiten erleben.

„Wenn du mit den Herren Schwarzer und Feldkamp auf unserem Höhenweg an der Elbe sprichst, fällt oft der Name Christus oder Jesus von Nazareth, auch am Frühstückstisch mit Mami. Auch sprecht ihr über einen Papst, der starb, es fiel immer wieder der Name Franziskus, und nach ihm kam ein Leo XIV.. Sind das mächtige Männer? Ich muss dann immer gähnen oder gehe im Garten spazieren, übrigens, das Regenwasser, das Mami mir aus der Regentonne zu trinken gibt, schmeckt besser als das Wasser aus dem Wasserhahn. Ich dachte immer Wasser ist Wasser.“

„Regenwasser ist weicher, es ist reines Wasser – es ist Himmelswasser, mein Luca, Acqua del Paradiso, wie man in Rom, der Stadt der Päpste sagt, wo dein Papi oft beruflich gewesen ist, wie auch in Japan, den USA, Südamerika und kreuz und quer in Europa, auch in Russland, als Intendant der Münchner Philharmoniker, des NDR-Sinfonieorchesters Hamburg, das heute NDR-Elbphilharmonie-Orchester heißt, wie als Leiter der Hauptabteilung Klangkörper des MDR in Leipzig.

„Und wer war dieser Jesus von Nazareth, mein Papi?“

„Jesus, mein Luca, wurde im Jahre Null christlicher Zeitrechnung geboren und starb im Jahre 30. Es war das Jahr 783 nach dem römischen Kalender, mein Luca-Schatz, es war das Jahr, in welchem in Verona ein großes Amphitheater gebaut wurde, das bis heute besteht, in welchem im Sommer Opern aufgeführt werden. Über den Mann, der dreißig Jahre alt wurde, wissen wir wenig bis nichts, denn er hinterließ uns keine Schriften, in denen er das was er lehrte, für die Nachwelt hinterließ. Die Quellen für die Lebensgeschichte dieses Mannes, und das was er lehrte, wurde in den vier Evangelien des Neuen Testaments aufgeschrieben, mein Luca, die jedoch erst drei bis vier Generationen nach seinem frühen Tod von Männern geschrieben wurden, die lesen und schreiben konnten, und das waren damals, vor zweitausend und mehr Jahren, nur wenige, und sie schrieben in griechischer Sprache, es sind die vier Evangelisten Markus, Matthäus, Johannes und Lucas, dessen Name dein Name ist, weil Mami Inge den Namen so schön fand, schöner als Waldi oder Schnuppi, denn bei deiner Geburt in Nieste im Weserbergland, in der Nähe von Kassel, am 22. Oktober 2012, gab man dir den Namen Sryani Mi-kha, denn wenn du dich im Spiegel betrachtest, siehst du, dass du für Mami Inge und für mich der schönste aller Hunde bist, denn du bist ein Tibetapso, wie du immer aus meinem Munde hörst, wenn Frauen und Männer auf dem Höhenweg stehenbleiben, dich betrachten, und mich fragen, welcher Rasse du angehörst. Doch von dir, mein Luca, wieder zu Jesus. Jesus sprach die Sprache, die die einfachen Menschen sprachen – Aramäisch, und die Priester der jüdischen Religion sprachen Hebräisch. Und dieser Jesus, mein Luca, wurde in einem kleinen Dorf geboren, es hieß Nazareth und lag in Galiläa. Er erlernte den Beruf seines Vaters, eines Zimmermanns, der hieß Joseph, seine Mutter hieß Maria, und er hatte vier Brüder und mehrere Schwestern. Als dieser Jesus vermutlich sechs – oder siebenundzwanzig Jahre alt war, predigte am Jordan ein Eremit, dass man Buße tun müsse, denn das Gottesreich wäre nahe. Und dieser Mann, er hieß Johannes, sagte den Menschen, die ihm zuhörten, durch die Taufe würden ihre Sünden von ihnen genommen, und durch seine Taufe würden sie ins Gottesreich kommen.“

„Und was ist ein Gottesreich?“

„In frühen Zeiten bildeten sich Völkerstämme, wie es sie noch heute gibt, denn in Deutschland leben Bayern, Franken, Schwaben, Preußen, Sachsen, Friesen, Rheinländer und Westfalen und noch viele andere Volksstämme, und das Volk Israel bestand aus zwölf Stämmen.“

„Und wie heißen die Hubertus – mein Papi?“

„Ruben, Simeon, Levi, Juda, Dan, Naftali, Gad, Ascher, Issaschar, Sebulon, Josef und Benjamin. Es waren die Söhne Jakobs, der auch Israel genannt wurde, und diese zwölf Volksstämme, die aus den Söhnen Jakobs hervorgingen, denen machte Moses, der dem Stamm Levi angehörte, einen Gott, den er Jahwe nannte, und er machte Gesetze im Namen diesen Gottes. Die Leviten waren der Priesterstamm der zwölf Stämme Israels. Sie hatten keinen Landbesitz, sondern lebten von den Gaben, die dem Tempel gehörten.“

„Und welchem Stamm gehörte dieser Jesus aus Nazareth an, mein Papi?“

„Dem Stamme Juda, mein Luca. Jesus wird im Neuen Testament als Nachkomme von Abraham, Juda und König David bezeichnet.“

„Das ist alles sehr verwirrend für deinen Luca. Ich fürchte ich kann dir nicht folgen, aber sprich weiter, vielleicht verstehe ich ja doch noch – irgendwie, was ihr Menschenmänner so denkt und treibt, und warum ihr euch Götter nach euren Ebenbilde geschaffen habt. Doch wie ging es weiter mit diesem Jesus? Mir reicht es, wenn ich auf dem Schokoll-Höhenweg den Duft von Hündinnen und Rüden rieche. Ich kann genau unterscheiden, welcher Duft zu welcher Hundedame gehört, ob es Rosi oder Elli waren, zum Beispiel, aber was war mit diesem Jesus – mein Papi?“

„Jesus folgte dem Beispiel des Johannes, der am Jordan lehrte und taufte, und da er ihm keine Konkurrenz machen wollte, zog er als Wanderprediger am Westufer des Sees von Genezareth entlang, und predigte: Du sollst Gott und deinen Nächsten lieben wie dich selbst, so wie Mami Inge und ich dich lieben. Du bist unser Luca, unser Ein und Alles, und jeder Tag mit dir ist ein glücklicher Tag in unserem Leben.“

„Ich liebe euch auch und bekomme ich ein Leckerli – mein Papi?“

„Natürlich bekommst du ein Leckerli, mein Luca.“

„Aber wie kam es, mein Papi – dass aus einer so einfachen Botschaft eine Weltreligion entstehen konnte.“

„Durch die Schriften der Evangelisten Markus, Matthäus, Johannes und dem Evangelisten Lukas, dem du deinen Namen verdankst, weil Mami Inge die italienische Variante - Luca. so schön fand.“

„Ich finde ihn auch sehr schön, schöner als Bello oder Schnuppi, doch immer wieder fragen dich Frauen und Männer auf dem Elbe-Höhenweg ob ich ein Hund oder eine Hündin wäre, und du antwortest dann immer, Luca ist ein Rüde, aber man sieht es nicht, und dann lächeln die Damen. Doch warum habe ich so lange Fellhaare.“

„Weil du ein Tibetapso bist. Und Apso heißt auf tibetisch Langhaar, und Mami muss dich doch immer kämmen, wie auch ich, aber nicht so intensiv wie Mami, die sonntags mehr als eine Stunde braucht, um dich noch schöner zu machen und damit dein Langhaar nicht verfilzt. Doch zurück zum Thema – zu diesem Jesus, der im Jahre 325 durch einen Kaiser des Imperium Romanum zum Gott erklärt wurde. Seine Brüder und Schwestern hielten ihn für verrückt, obwohl er eigentlich Wasser in Wein und Tote wieder zum Leben erwecken konnte, wie die Evangelisten berichteten, die jedoch selbst nicht Zeugen des Geschehens waren, denn der Phantasie von Schriftstellern sind keine Grenzen gesetzt. Sie schreiben ihre Phantasien auf und die Menschen glauben es blind, wie den Medien von heute, zum Beispiel dem ZDF, mit dem man besser sehen soll.

„Das ist möglich – Papi?“

„Menschen glauben alles, wie verrückt es auch ist. Denn Gläubige sind selten Denker und Denker selten gläubig, mein Luca-Schatz. Aber zurück zu diesem Jesus von Nazareth, der im Jahre 325 durch das Konzil von Nicäa durch Kaiser Konstantin zum Gott erhoben und verehrt wurde, und wer es nicht tat, musste ab dem Jahre 380 durch das Dekret von Thessaloniki des christlichen Kaisers Theodosius I. um sein Leben fürchten, denn mit diesem Dekret wurde das Christentum zur einzigen Staatsreligion, und alle anderen religiösen Kulte, und davon gab es viele, wurden verboten. Es gab Länder, wie Ägypten, wo Tiere als Gottheiten verehrt wurden. Zum Beispiel Anubis, dargestellt als Hund, war der Gott des Jenseits und der Toten, Ra, der Sonnengott, wurde als Falke dargestellt, um nur zwei Beispiele zu nennen – mein Luca.“

„Doch wie konnte der Glaube dieses Juden aus Nazareth dazu führen, dass ihm die größten Kirchen erbaut wurden? Als wir in Prag waren, Mami, ich und du, hättest du gerne mit Mami und deinem Luca den Veitsdom betreten, den Mami, im Gegensatz zu dir nicht kannte, weil du schon in Prag warst, als der Staatspräsident der Tschechoslowakei noch ein Kommunist mit dem Namen Antonin Novotny war, aber da Hunde Kirchen nicht betreten dürfen, und du wolltest nicht alleine hineingehen, auch weil du schon einige Male den Dom auf deinen Dienstreisen nach Prag besucht hattest, gingen wir in ein Kaffee, anstatt in den Dom auf dem Hradschin, wie ich auch in Dresden mit euch nur um die Frauenkirche herumlief, weil auch in Deutschland Hunde Kirchen nicht betreten dürfen. Doch wie konnte sich das Christentum so ausbreiten, dass es heute weltweit die größte Religion ist, selbst in Peking und Shanghai gibt es Christen, wie Mami zu mir sagte, Mami sagte: Luca, selbst in Peking und Shanghai gibt es Christen, und willst du noch ein Leckerli? Und ich wedelte mit dem Schwanz.“

„Die Apostel des Jesus von Nazareth gründeten, nach dessen Tod am Kreuz in Jerusalem, die erste Gemeinde, wie auch durch Männer die ersten Fußballvereine gegründet wurden, und durch Paulus, einen Juden aus Tarsus, der die erste christliche Gemeinde in Philippi in Makedonien auf dem Boden Europas gründete, mein Luca, und weitere in Antiochien, Ephesus, Kolossä und Milet, und in Europa, nach Philippi, in Thessaloniki, Korinth und Rom, entstand in einem über vier Jahrhunderte dauernden Prozess das Christentum, bis es im Jahre 380 zur Staatsreligion erhoben wurde, der jeder angehören musste, ob er wollte oder nicht, mein Luca-Schatz.

Paulus lebte, wie alle, die er zum Glauben an diesen Jesus von Nazareth bekehrte, in dem Wahn, dass dieser noch zu seinen Lebzeiten auf die Erde zurückkäme, um die Menschen zu erlösen, doch als seine Wiederkehr sich nicht ereignete, die ersten Christen glaubten er wäre von den Toten auferstanden, verlegte Paulus seine Hoffnungen auf ein Leben nach dem Tode – mein Luca, in einen imaginären Himmel.“

„Ich bin immer wieder erstaunt, wenn Mami und du euch unterhaltet, wie verrückt die Welt ist, in der ich mit euch lebe, aber ich fühle mich, seitdem ihr mich in Neste abholtet beschützt und habe durch Mami und dich unendlich viel Glück erfahren.“

„Danke mein Luca, jeden Tag deines Lebens hast du uns Glück gebracht, und wir hoffen, dass wir noch lange zusammen bleiben, denn unser Leben ist endlich. In Athen versuchte Paulus auch eine Gemeinde zu gründen, doch bei den Menschen von Athen fand er kein Gehör, in der es Philosophen-Schulen gab, es war die Stadt, in der Philosophen wie Sokrates, Platon, Aristoteles und Epikur gelebt hatten, die der Theologie des Paulus, dass der Mensch die Sünde Adams geerbt habe, und durch den Sohn Gottes, diesen Jesus von Nazareth, der in den Himmel aufstieg, nur erlöst werden könne. Die Männer von Athen lachten über seinen Glauben, mein Luca, sie fanden ihn absurd, aber viele Menschen glaubten mehr und mehr, dass dieser Jesus ein Gott wäre, während die Philosophen der Griechen lehrten, dass Gott und Kosmos eine Einheit bilden, und die Welt und das Universum ohne Anfang und Ende wären. Noch unverständlicher war ihnen die Theologie des Paulus, nämlich das der Mensch, der an Christus glaube, von den Toten auferstehe. Für sie löste sich die unsterbliche Seele durch den Tod vom sterblichen Körper.“

„Und wird das auch bei mir so sein, Papi?“

„Du, Mami Inge, und ich, wie alle Menschen und alle Tiere dieser Welt werden geboren und sterben, wie eine Blume erblüht und verwelkt, mein Luca. Wir leben alle unter den ewigen wie rätselhaften Kräften der Natur, die wir nicht ergründen können. Und wir sind ein Teil dieser Natur, mein Luca.“



zurück zur Übersicht